Lakeside View 1 / 2018
MiFID II soll Anlegerschutz und Transparenz erhöhen. Besonders für kleinere und mittelgroße Emittenten bedeutet MiFID II aber auch einen zunehmend erschwerten Zugang zu Investoren und Research. Neue Lösungsansätze sind gefragt.
München, 03.01.2017: Mit dem Inkrafttreten von MiFID II am heutigen Tage soll ein weiterer Schritt in Richtung Transparenz und Anlegerschutz gegangen werden. Davon sind auch börsennotierte Aktiengesellschaften betroffen, da MiFID II zukünftig die wechselseitigen Beziehungen zwischen Emittenten, Investoren und Brokern reguliert – insbesondere in Bezug auf die Vergütung von Leistungen für Research und Corporate Access.
Bisher stellten Banken ihren Kunden – Vermögensverwaltern und Fonds – ihre Analysen, Updates, Markteinschätzungen zur Verfügung, ohne dies unmittelbar in Rechnung zu stellen. Der gute Service der Banken und Broker wurde mit den Erträgnissen aus dem Ausführen der Wertpapierkommissionen, den „dealing commissions“ abgedeckt – höhere Kommissionen konnten mit einem besonders guten Service gerechtfertigt werden. Ein wesentlicher Teil der Services einer Bank für Ihren Kunden im Brokerage Geschäft bestand darin, im Rahmen von Roadshows und Field Trips Unternehmen und Investoren zusammenzubringen. Gerade kleinere Emittenten profitierten häufig von diesem System, da die Bereitstellung von Research und Meetings durch den Broker auch dargestellt werden konnte, wenn das betreffende Unternehmen nicht unmittelbar kommerziell relevante Handelsumsätze aufwies, jedoch einen Service-Vorteil gegenüber den Investoren versprach.
Diese Vorgehensweise wird sich aufgrund des Inkrafttretens von MiFID II praktisch stark ändern – nunmehr müssen die Research- und Corporate Access Leistungen von den Investoren kostenpflichtig bezogen werden, die Handelskommissionen dürfen sich nur noch auf die Ausführung des Handelsgeschäfts, nicht mehr aber auf undefinierte weitere Dienstleistungen beziehen.
Die Deutsche Börse erwartet zu recht, dass dies große Auswirkungen auf börsennotierte Aktiengesellschaften haben wird – besonders für die kleineren und mittleren Unternehmen werden starke Veränderungen vorausgesagt[1].
Je kleiner, desto weniger….
Investoren werden sich zukünftig intensiv mit der Frage auseinandersetzen müssen, für welches Research und welche Unternehmensmeetings sie ihr Budget für entsprechende Dienstleistungen ausgeben wollen. Diese müssen zukünftig aus eigenen Mitteln oder einem sog. Analysekonto, welches durch Kundengelder gespeist wird, bezahlt werden. Die Deutsche Börse erwartet daher grundsätzlich, dass die Zahl der Analysten, die ein Unternehmen abdecken, sinken und die Möglichkeit der Teilnahme an Konferenzen, Roadshows und Fieldtrips stark abnehmen wird – und je kleiner das Unternehmen, desto stärker wird dieser Effekt eintreten. Auch wenn die Auswirkungen im Einzelnen derzeit noch nicht genau abzuschätzen sind – wir vermuten, dass die Emittenten zukünftig in deutlich stärkerem Maße für die Kosten der Bereitstellung von Research und Corporate Access (Roadshows) herangezogen werden und die Leistungsbereitschaft der Banken und Broker gerade für kleine Unternehmen tätig zu werden stark abnehmen dürfte.
MiFID II als Chance für Emittenten – Etablierung direkter Investorenkontakte
Wir erwarten, dass die Umstellung gerade kleinere Unternehmen stark treffen wird und zu einem nachlassenden Interesse von Brokern bei der Bereitstellung von unbezahltem Research und der Organisation von Roadshows führen wird.
Die Research Lücke lässt sich bereits heute gut füllen mit Hilfe einer Reihe von Anbietern, die qualitativ hochwertiges Research anbieten, das vom Emittenten bezahlt wird. Hier kommt es darauf an, ein qualitativ hochwertiges Produkt von einem seriösen Anbieter auszuwählen. Grundsätzlich kann das sog. Issuer sponsored Research auch weiterhin kostenfrei vom bezogen werden.
Beim Management des Investorenzugangs gestaltet sich die Problematik komplexer: Zwar gibt es ein breites Angebot an Investorenkonferenzen, vom Deutschen Eigenkapitalforum über die Konferenzen der DVFA, oder auch Veranstaltungen von Brokern und Bankern sowie unabhängigen Dienstleistern, bei denen sich die Teilnahme wirklich lohnt. Auch hier ist davon auszugehen, dass Roadshows und Veranstaltungen, die vom Emittenten bezahlt bzw. organisiert werden, als „geringfügige, nicht-monetäre Vorteile“ kostenfrei für die Empfänger bleiben werden.
Geht es jedoch um die Möglichkeit, in einen direkten und unternehmensspezifischen Kontakt zu Investoren einzutreten, ist das Angebot gering. Eine Direktansprache durch das Unternehmen selbst gestaltet sich oftmals schwierig – die Transparenz darüber, welcher Vermögensverwalter und Fondsmanager sich gerade für bestimmte Sektoren, Größenordnungen und Themen interessiert ist gering. An dieser Stelle kann die Einbindung einer qualifizierten Unterstützung durch einen externen Dienstleister sehr helfen.
Fazit: Den Wandel aktiv begleiten
Grundsätzlich ist eine weitere Professionalisierung der Beziehungen zwischen Emittenten, Investoren und Banken und die damit einhergehende Verbesserung der Markttransparenz und des Anlegerschutzes zu begrüßen. Allerdings bedeuten die Auswirklungen von MiFID II gerade für kleine Emittenten zunächst eine Verschlechterung der Möglichkeiten, Zugang zu unabhängigem Research und zu Investoren zu erhalten – und damit auch die Möglichkeit, der Kapitalbeschaffung über die Börse. Emittenten werden zunehmend gefordert, diesen Herausforderungen initiativ zu begegnen und ihren eigenen Weg zu den Investoren zu ebnen. Die Einbindung unabhängiger Dienstleister wird an Bedeutung gewinnen, die Anforderungen an die Leistungen der eigenen Investor Relations Arbeit steigen.
[1] „MiFID II und die Verfügbarkeit von Research“ – Deutsche Börs AG, Dezember 2017