Lakeside View 1 / 2017

Das neue KMU Segment wirft viele Fragen auf und wird skeptisch beäugt.

München, 25.01.2016: Der Entry Standard der Deutschen Börse AG diente seit 2005 als Einstiegssegment in den Freiverkehr mit besonderen (durch die Geschäftsordnung der Frankfurter Wertpapierbörse definierten) Transparenzvorschriften. Nun ist es Zeit, sich vom Entry Standard zu verabschieden und den neuen „KMU-Standard“ willkommen zu heißen.

Vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Vorschriften, die für den General und Prime Standard galten, keine Anwendung für den Freiverkehr hatten, war das Etablieren des Entry Standard in 2005 als Qualitätssegment oberhalb des Freiverkehrs durch die Börse ein sinnvoller Schritt. Sicherlich hat sich die Notwenigkeit dieses erhöhten Transparenzstandards in einem Umfeld zunehmender Regulierung des Freiverkehrs stark vermindert – mit der Umsetzung der Marktmißbrauchsrichtlinie erhielten ohnehin viele Regelungen, die bislang nur für die „EU-regulierten Märkte“ Prime und General Standard galten, auch für den Freiverkehr Wirksamkeit – so die Regelungen zu Director’s Dealings sowie die Pflicht zum Führen von Insiderverzeichnissen.
Mit dem KMU Standard startet die Deutsche Börse erneut den Versuch, ein Qualitätssegment zu erschaffen. Die Idee ist, den Anleger vor Unternehmen „minderer Qualität“ zu schützen. Firmen, die in das neue Börsensegment aufgenommen werden wollen, müssen über ein positives Eigenkapital verfügen, rentabel sein, einen Jahresumsatz von mindestens zehn Millionen Euro erwirtschaften und mindestens 30 Millionen Euro Marktkapitalisierung aufweisen. Grundsätzlich sicherlich ein guter Ansatz zur Schaffung eines Segments für seriöse und reife Mittelstandskunden, wenngleich man über die Kriterien im einzelnen sicherlich diskutieren könnte.

Qualitätssegment ohne Qualitätssicherung

Ob es allerdings zweckdienlich ist, wenn die Börse die Verantwortung für die Beurteilung der Kapitalmarktfähigkeit von Börsenaspiranten diffus an ihre Capital Markets Partner delegiert, ist fraglich. Ihnen wird die Verpflichtung auferlegt, eine angemessene Legal und Financial Due Diligence durchzuführen, eine Bestätigung über die Geeignetheit des Emittenten für das KMU-Segment gegenüber der Deutschen Börse AG abzugeben und den Emittenten im Rahmen des Einbeziehungsverfahrens zu beraten und zu unterstützen. Eine neutrale Beurteilung angesichts eines in Haus stehenden Kommissionsgeschäfts durch den Capital Markets Partner (dies können neben Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituten auch Unternehmen sein, die in der Rechtsberatung oder Wirtschaftsprüfung tätig sein) ist nicht vorgesehen. Dass uns diese Regeln davor bewahren, am Ende wieder ein Potburry unterschiedlichster Emittenten in einem KMU-Topf zu finden, wie es letztlich im Entry Standard war, ist nicht offensichtlich.
Ärgerlich für die Emittenten ist vor allem die mit dem neuen Segment einhergehende Veränderung der Kosten. Wer bisher im Entry Standard gelistet war, kommt von ehemals 5.000 Euro pro Jahr mit einer Vervierfachung der Kosten auf 20.000 Euro hin. Für neue Aspiranten kommt eine einmalige größenabhängige Gebühr, die schnell mal an die 100.000 Euro gehen kann, hinzu.
Die Börse rechtfertigt die Kosten vor Allem mit „neutralem Research“, das von entsprechenden Partnern erstellt werden soll. Grundsätzlich ist es natürlich wichtig und richtig, dass ein unabhängiger Research Report vorliegt, er kann eine gute Informationsquelle für Investoren sein und ein zusätzliche Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung darstellen. Auch hier wäre die Frage nach der Qualitätssicherung und Unabhängigkeit jedoch noch zu beantworten.

Die Interessen der Emittenten spiegeln sich im neuen Segment nur begrenzt wider

Statt eines Ideenwettbewerbs für die Namensgebung des neuen Standards wäre eine Umfrage unter den betroffenen Emittenten sicherlich hilfreich gewesen, das neue Segment wirklich innovativ und dauerhaft erfolgreich auszugestalten. Nicht nur Investoren wünschen sich ein „Gütesiegel“, vor allem für Emittenten wäre es erstrebenswert, mit ihresgleichen in einem Pool von Unternehmen, sozusagen den Perlen des deutschen Mittelstandes, gelistet zu sein. Nach dem Prinzip „gemeinsam sind wir stark“ besteht der Wunsch, das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit zu erregen, und gegenseitig von „Spill-over“ Effekten zu partizipieren. Die Börse als Plattform, die Angebot und Nachfrage zusammenbringt, hat es leider verpasst, den Handelsplatz auch als Marktplatz auszugestalten, auf dem Unternehmen und Investoren einander finden und treffen. Die Verknüpfung des Segments mit dedizierten Investorenevents, einem Auswahlindex oder andere Elemente, die das Segment für Emittenten attraktiver machen, als andere vergleichbare Segmente im Ausland fehlen leider.

Fazit: Gute Idee mit mangelhafter Umsetzung

Sicherlich drängte sich die Neuordnung des Entry Standards auf. Das KMU Segment ist grundsätzlich eine gute Idee, zumal die kleinen und mittelständischen Unternehmen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind. Für sie wäre ein Marktplatz wünschenswert, an dem sie Investoren treffen und Kapital finden können. Mit den jetzigen Ausgestaltungsmerkmalen wird das Segment dieser Aufgabe zu wenig gerecht.

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